Bleib Gesund. AOK - Magazin August 2003


Lords vom Niederrhein

ROYAL-FANS. Die Queen wäre sicher "amused": Am Niederrhein pflegen Anhänger des Hauses Windsor den "British way of life" mit Stil und Etikette.

Feierlich ist den Herren zu Mute. Nachdem ein Butler die schweren Kristallgläser gefüllt hat, erheben sie sich im Obergeschoss der Hinsbecker Stammenmühle von ihren Stühlen. Den Blick richten sie ehrfurchtsvoll auf ein Foto, das die englische Königin in vollem Ornat zeigt. "Gentlemen - the Oueen". Lord Bernhard hebt sein Glas, seine Mitstreiter folgen dem Beispiel. Edle Tropfen rinnen durch durstige Kehlen, anschließend nimmt das skurrile Grüppchen wieder Platz, eine Packung mit Pfefferminzkonfekt kreist. Alles an dieser Zeremonie ist einstudiert, jeder Handgriff sitzt, jede Geste stimmt bis ins Detail.

"Wir hatten gute Lehrer. Offiziere der Royal Air Force haben uns in die Tradition des Clublebens eingeführt und gezeigt, wie man richtig auf die Queen prostet", erzählt Lord Bernhard. Ein Trinkspruch auf Elisabeth II, in der niederrheinischen Provinz? Was wie ein groteskes Schauspiel anmutet, vollziehen sieben erwachsene Männer alle vierzehn Tage mit vollem Ernst. Denn dann treffen sich die "Friends of British Royalty ﷓ German Section" zu ihrem Clubabend, um den "British way of life" hochleben zu lassen. Seit 1995 weht hier der Geist des Empire.

Inspiriert wurden die Friends durch Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt", an dessen Ende der Hauptakteur einen begeisterten Empfang in einem Londoner Club erlebt.

"Diese Gentleman-Kultur wollen wir auf dem Festland etablieren", sagt Lord Bernhard, der eigentlich Bernhard Zanders heißt und als Geigenbaumeister seine Brötchen verdient. Auch seine anglophilen Mitstreiter üben höchst weltliche Berufe wie Kaufmann, Ingenieur, Programmierer oder Lehrer aus. Jedes der sieben Clubmitglieder trägt den Titel eines "Laird of Glencairn" - kein Phantasiekonstrukt, sondern Folge einer Investition. "Wir haben uns alle ein Stück Land im bedrohten schottischen Hochmoor gekauft", erklärt Zanders und fügt grinsend hinzu: "Genau genommen sind es nur ein paar Quadratzentimeter, auf denen man je nach Schuhgröße nicht einmal richtig stehen könnte." Der Preis für so viel Ehre: rund 21 britische Pfund.

Traditionsbewusstsein prägte auch die Auswahl des Clubraums unter der Kuppel der malerischen Stammenmühle, dem "höchsten Punkt zwischen Köln und London": "Hier befand sich eine Relaisstation, Über die 1952 die Krönungsfeierlichkeiten der Queen ins deutsche Fernsehen übertragen wurden", so Zanders.

Die Ausstattung des Raums würde jedem englischen Royalisten die Freudentränen ins Gesicht treiben: Porträts von Queen Elisabeth und Prince Charles zieren die Wände, auf einer Weltkarte sind die zum Commonwealth gehörenden Staaten mit Union Jacks beflaggt. Schräg gegenüber prangt im vergoldeten Rahmen ein Schreiben der seligen Queen Mum, in dem sie sich artig für die Geburtstagsgrüße zum "Hundertsten" bedankt.

Frauen unerwünscht

Frauen sind im Allerheiligsten selbstredend nicht erwünscht, auch Gespräche über sie sind tabu. Im Mittelpunkt der emotionsfreien Diskussionen steht das Königshaus sowie politische Fragen, "Wir distanzieren uns ganz klar von der Stammtisch﷓Mentalität, bei uns wird Weltpolitik diskutiert", betont Lord Winfried, Er sieht die internationale Staatengemeinschaft mit britischer Hilfe bereits auf dem Weg ins globale Dorf. "Niemand will die koloniale Vergangenheit beschwören, aber dank der britischen ,world view' könnte man viele Probleme gelassener lösen", sagt der Träger des "Ordens für besondere koloniale Verdienste am Bande“. Auf seinen Reisen durch ehemalige britische Kolonien wie Sirnbabwe oder Botswana packt der Entwicklungshelfer kräftig mit an, um der Vision konkrete Taten folgen zu lassen.

Mit Dudelsack ins Ordnungsamt

Auch vor Ort hinterlassen die Aktivitäten der Gentlemen Spuren: In den Hinsbecker Höhen veranstaltete man jüngst "Highland﷓Garnes". Zu den Klassikern gehört die alljährliche Geburtstagsparade für die Queen am 21. April ﷓ ein Recht, das sich die Lords vom Niederrhein allerdings hart erkämpften. Die zuständigen Behörden winkten zunächst ab und stellten sich stur. „Uns nahm keiner ernst. Offenbar glaubte man, wir machen nur einen Jux“, vermutet Lord Erhard. Doch die

Lords hatten den längeren Atem und zogen unter den Klängen eines Dudelsackpfeifers ins Ordnungsamt ein, bis die Genehmigung für den Umzug vorlag.

Das Hickhack um die Englandfans schlug natürlich hohe Wellen, die überregionale Presse, Radio﷓ und Fernsehanstalten berichteten über das Treiben der britischen Germanen. Fünf Kamerateams übertrugen 2001 unsere erste Parade, das gesamte Gelände um die Mühle war damals verkabelt", berichtet Lord Erhard stolz. im letzten Jahr widmete der WDR der London-Reise der Friends gar eine fünfzehnminütige Dokumentation.

Das positive Medienecho ließ kritische Stimmen rasch verstummen. "Wir sind mittlerweile etabliert, man hat sich an uns gewöhnt", stellt Lord Wolfram mit Genugtuung fest. Sichtlich erfreut reagierten waschechte Briten. So nahmen Offiziere der Rheinarmee an den Clubsitzungen teil - stilgerecht in Uniform. Vom britischen Generalkonsul in Düsseldorf wurde der Club gar auf Lebzeiten autorisiert, den Staatsakt zu vollziehen, also unter Trommelwirbel die Fahne zu hissen und die Nationalhymne zu spielen.

Zu solch’ feierlichen Anlässen posieren die honorigen Herren in edlem Zwirn und mit waschechter Melone. Je nach Anlass streifen sie blau﷓weiß﷓rote oder weinrote Schärpen mit dem königlichen Windsor-Wappen über.

Symbole spielen eine wichtige Rolle, ohne Selbstzweck zu sein. Lord Bastian: „Wir sind keine Pedanten, sondern pflegen aus Sympathie britische Traditionen. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar!'“

TRADITION in vollem Ornat feiern die Hinsbecker Lords jedes Jahr den Geburtstag der Königin von England.

Objekt der Verehrung: Die Queen, Oberhaupt der Familie Windsor

Mitglied werden.

Clubmitglied zu sein, das ist nicht schwer, es zu werden hingegen sehr. Will heißen: Wer den Friends of British Royalty" angehören will, muss eine "innere Berufung" spüren. Formelle Aufnahmekriterien gibt es nicht. Wer danach fragt, wird abgelehnt. Außerdem dürfen nur Männer dem illustren Kreis beitreten. Kontakt. Friends of British Royalty - German Section", c/o Bernhard Zanders, Büschen 1a, Tel. 02153 4633. Internet: www.royaltyfriends.de


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